Wer oder was verbirgt sich hinter dem Begriff Trans*Identitäten?

Wenn wir uns das Phänomen Trans*Identität(en) näher ansehen, dann merken wir sehr bald, dass sich dahinter eine Vielfalt an Begriffen und Empfindungen verbirgt. Und aus genau diesem Grund habe ich hier die Mehrzahl – TRANS*IDENTITÄTEN – gewählt.

„Trans“ bedeutet „jenseits“ oder „über“.

Wer oder was verbirgt sich hinter dem Begriff Trans*Identitäten?
Grundsätzlich all jene Menschen, die nicht den willkürlich festgelegten gesellschaftlichen Normen, der biologischen Geschlechtszugehörigkeit, entsprechen.
Dies können nun Transsexuelle, Intersexuelle, Transvestiten/Crossdresser, Drag Queens / Drag Kings, Travestiekünstler sein.

Früher hat man von „TRANSSEXUALITÄT“ gesprochen, heute setzt sich immer mehr der Begriff „TRANS*IDENTITÄT“ durch – geht es doch in erster Linie um Identität und nicht um Sexualität. Der ältere Begriff der Transsexualität führt auch immer wieder zu Missverständnissen bei nicht so gut informierten Menschen und weckt oft völlig falsche Erwartungshaltungen.

TRANS*IDENTITÄT / TRANSSEXUALITÄT

Dementsprechend sind Trans*Idente keine Menschen mit außergewöhnlichen sexuellen Vorlieben, sondern Menschen, die das Gefühl haben, dass ihr biologischer Körper nicht zu ihrem Idetitätsgeschlecht passt – manche sprechen von einem „Leben im falschen Körper“ oder meinen, „mit den falschen Geschlechtsorganen“ auf die Welt gekommen zu sein.

Das heißt, es handelt sich um Menschen, die sich ihrem körperlichen Geschlecht nicht zugehörig fühlen und häufig eine körperliche Anpassung an das Identitätsgeschlecht anstreben.

Definition nach ICD 10 F64.0 (Transsexualismus) WHO 1993
„Es besteht der Wunsch, als Angehöriger des anderen anatomischen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit einem Gefühl des Unbehagens oder der Nichtzugehörigkeit zum eigenen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach hormoneller und chirurgischer Behandlung um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.“
ICD 11 ist Anfang des Jahres erschienen, Geschlechtsinkongruenz ist aus den Persönlichkeitsstörungen gestrichen.

GenderDysphoria nach DSM V

Unter dem Begriff „gender dysphoria“ fasst man verschiedene klinische Erscheinungsbilder zusammen, die eine Thematik / Problematik der geschlechtlichen Identität signalisieren.

Diese sind vielgestaltig und von verschiedener Intensität und reichen von einem milden Unbehagen an Geschlechtsrollen-Stereotypien bis hin zu transsexuellen Verläufen, in denen ein „Geschlechtswandel“ im Sinne einer körperlichen Umgestaltung angestrebt wird.

Unbehagen oder Missempfinden, verursacht von der Diskrepanz zwischen der Gender*Identität und dem zugewiesenen Geburts- geschlecht eines Menschen (und die damit verbundenen Gender*Rollen und/oder primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen).

INTER*GESCHLECHTLICHKEIT (Disorders of sex developement)

Es handelt sich dabei um Menschen, die vom biologischen her KEINE EINDEUTIGE Geschlechtszugehörigkeit aufweisen.

Chromosomen Variationen
Geschlechtschromosomen können in verschiedenen Variationen möglich sein, z.B.
XO – Turner Syndrom
mit einem weiblichen Phänotypus und einem weiblichen Identitätsgeschlecht
XXY – Klinefelter-Syndrom
mit männlichem Phänotypus und meist männlichem Identitätsgeschlecht

Gonadale Variationen
entweder fehlende oder nicht im selben Maße entwickelte Eierstöcke/Hoden, oder nur ein Eierstock und ein Hoden

Hormonelle Variationen
signifikante Abweichungen im Spiegel der Geschlechtshormone – z.B. Gynäkomastie (Brustwachstum bei Männern) oder starker Bartwuchs bei Frauen

Anatomische Variationen
es können die vollständigen Anlagen „beider Sätze“ von Geschlechtsorganen vorhanden sein

Viele intergeschlechtliche Syndrome bestehen nicht aus einer Variation, sondern oft aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren.

Wobei es natürlich vorkommen kann, dass intergeschlechtliche Menschen sich auch als trans*ident empfinden, da möglicherweise aufgrund einer Operation das falsche Geschlecht zugeordnet worden ist und somit neben den körperlichen auch schwere psychische Schäden entstanden sind.

Derartige Operationen sollten nicht ohne Zustimmung der betroffenen Menschen stattfinden.
Ein Leitfaden für die Behandlung intergeschlechtlicher Menschen ist derzeit in Bearbeitung.

Wer sich näher für diese Thematik interessiert:
Es gibt es von der Hamburger Gruppe ein Glossar. Mehrere Autoren wie Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt, Prof. Dr. Olaf Hiort, Dr. Paul-Martin Holterhus u.v.m. haben sich damit beschäftigt.

In seinem Erkenntnis vom 15-06-2018 hat der Verfassungsgerichtshof aufgrund einer Klage einer inter*geschlechtlichen Person angeodnet, dass die Geschlechtseintragungen im Personenstandsregister ab sofort der selbstbestimmten Geschlechtsidentität zu entsprechen haben (G 77/2018).

TRANSVESTITISMUS

Darunter verstehen wir das Verlangen, sich zeitweilig in die Identität des anderen Geschlechts zu begeben. Durch das Tragen der gegengeschlechtlichen Kleidung kommt es zur Entspannung und dadurch wird das psychische Gleichgewicht wieder erreicht. Es besteht kein Wunsch nach geschlechtskorrigierenden Maßnahmen, da das eigene biologische Geschlecht nicht in Frage gestellt wird. Es wird auch nicht unbedingt ein vollständiges Leben im anderen Geschlecht angestrebt.

Transvestitismus kann manchmal eine Vorstufe zu Trans*Identität sein.

Nach dem ICD 10 (F64.1) wird Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen diagnostiziert und somit auch als Krankheit eingestuft. Hier erhebt sich nastürlich die Frage, ob solch eine Krankheitswertigkeit, heute noch als sinnvoll anzusehen ist.

PSYCHOTHERAPIE

Die meisten Menschen mit trans*identem Background werden irgendwann im Verlauf dieses Prozesses mit Psychotherapie konfrontiert. Viele davon – und möglicherweise auch Sie, werte Zuhörerinnen und Zuhörer – fragen sich: Wozu brauche ich Psychotherapie?

Psychotherapie ist eine sinnvolle Hilfe bei Leidenszuständen,
mit den Zielen,
die Symptome zu mildern bzw. zu beseitigen,
gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern
und die Gesundheit der Behandelten zu fördern.

Ein ganz wesentlicher Faktor dabei ist:
Psychotherapie basiert auf der Freiwilligkeit der zu Behandelnden.

In Bezug auf Trans*Identität, die mit somatischen Behandlungsschritten verbunden ist, besteht in Österreich eine
Empfehlung für den Behandlungsprozess
des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz.

Empfehlungen für den Behandlungsprozess von Kindern und Jugendlichen nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM- bzw. ICD-Fassung: Start 14-12-2017

Die Dauer der Therapie, die Frequenz der Sitzungen wird von den PatientInnen und den TherapeutInnen gemeinsam bestimmt!

Warum Psychotherapie?

Für viele ist das psychotherapeutische Gespräch oft die erste Möglichkeit, über sein/ihr Empfinden mit jemandem zu reden und sehr oft fühlen sich die betroffenen Menschen auch erstmals ernst genommen. Oft liegen Jahre der Verzweiflung und des sich-verstecken-müssens hinter ihnen, in denen sie gespürt haben, dass ihr Empfinden nicht der „Normalität“ entspricht.
Sie lehnen sich, bzw. ihren Körper ab, sie ekeln sich vor sich selbst, insbesondere vor ihren Geschlechtsmerkmalen, sie können diese oft nicht ansehen und schon gar nicht berühren.
Die Angst vor negativen Reaktionen, wenn sie sich ihrer Familie, den Eltern, Geschwistern oder Großeltern mitteilen ist derart groß, dass sie schweigen.

Einige versuchen sich anzupassen und der von ihnen erwarteten Rolle zu entsprechen. Sie gehen Partnerschaften ein, gründen eine Familie in der Hoffnung, durch die eigenen Elternrolle gegen ihr inneres gegengeschlechtliches Empfinden ankämpfen zu können. Viele scheitern mit diesen Versuchen, da das innere gegengeschlechtliche Erleben weit stärker ist.

Andere hingegen „rebellieren“ gegen die Rollenerwartung und werden dann möglicherweise psychisch auffällig. Das beste, was ihnen passieren kann – wenn diese Auffälligkeit im Kindes- oder Jugendalter eintritt: Sie werden einer/m KinderpsychiaterIn oder KinderpsychologIn vorgestellt, die auf die Thematik Trans*Identität sensibilisiert ist und schon zu diesem Zeitpunkt eine Psychotherapie empfiehlt.
Im ungünstigem Fall werden sie einer/m KinderpsychiaterIn oder KinderpsychologIn vorgestellt, die durch ihre Unwissenheit und Hilflosigkeit meinen könnten, dies sei eine vorübergehende Phase und würde sich „auswachsen“, spätestens dann wenn es zu Beziehungen kommt und der/die „richtige“ PartnerIn in das Leben tritt. Hier könnte sich der Kreislauf schließen und, wie schon vorhin erwähnt, der Versuch der Anpassung entstehen.

Durch das Unverständnis und die Hilflosigkeit der Eltern kann es auch geschehen, dass einige Trans*Idente in Drogen- oder Alkoholsucht abrutschen, dass es zu beruflichem Versagen kommt und Beziehungen immer wieder abgebrochen werden.

Wenn sich nun ein trans*identer Mensch für eine Psychotherapie entscheidet, geht es darum, Ziele und Lösungen zu finden, sich mit seinen Ängsten und Zweifeln auseinanderzusetzen und das Wohlbefinden wieder herzustellen.

Ein wichtiger Grundsatz der Psychotherapie ist es, sich dem trans*identen Wunsch gegenüber neutral zu verhalten. Psychotherapie soll weder das Bedürfnis forcieren, noch es aufzulösen wollen (auch wenn es zu einer Auflösung kommen könnte).
Psychotherapie versteht sich als Begleitung auf dem Weg zur eigenen Identitätsfindung.

Die Psychotherapie sollte sich mit folgenden Aspekten beschäftigen:
Auseinandersetzung mit dem eigenen Körperempfinden
Erwartungen an das Leben im Wunschgeschlecht und dem damit verbundenen Sexualleben – sowie der Frage, sind die Erwartungen auch realistisch?
Psychosoziale Aspekte miteinbeziehen
Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen Behandlung klarlegen
Ängste die sich auf die neue Geschlechtsrolle beziehen (hat man ein perfektes Passing oder ist man in seinem Ursprungsgeschlecht als Mann/Frau noch immer zu erkennen)
Einige Trans*Idente leben in Partnerschaften und haben auch Kinder. Hier ist es wichtig, sowohl die PartnerInnen als auch die Kinder miteinzubeziehen.
Inwieweit die Familienangehörigen das als hilfreich erleben, hängt davon ab, wie weit sie sich selbst auf den Prozess einlassen.
Wann sollte man sich wem gegenüber „outen“?
Wie weit sollen Kinder informiert werden? (Kinder sind sehr sensibel und nehmen Veränderungen wahr)
PartnerInnen fühlen sich oft verletzt, haben Versagensgefühle, nämlich als Frau/Mann in der jeweiligen Rolle versagt zu haben.
Kinder können vom trans*identen Elternteil enttäuscht sein, haben Ängste, diesen zu verlieren (oft besteht ein sehr inniges emotionales Beziehungsverhältnis) und reagieren oft mit Rückzug, Aggression oder Ablehnung (manchmal ist es auch wichtig, Kinder zu Kindertherapeuten zu schicken, dies hängt speziell auch vom Alter ab)

Die Psychotherapie soll vor den medizinischen Schritten einsetzen!

… da die/der PsychotherapeutIn vor der Hormonbehandlung eine Befundung zu erstellen hat für die folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
Die diagnostischen Kriterien sind erfüllt (die innere Stimmigkeit und die Konstanz des Identitätsgeschlechtes sind gegeben,
die Lebbarkeit der gewünschten Geschlechtsrolle ist klar und die Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen Behandlung werden realistisch eingeschätzt).

Die Psychotherapie sollte auch während der medizinischen Behandlungsschritte weitergeführt werden.

Für die Indikation zur Operation hat die/der PsychotherapeutIn ebenfalls eine Befundung zu erstellen, wobei zu den, bei der Hormonbehandlung bereits notwendigen Voraussetzungen, noch die Dauer der Hormonbehandlung, von mindestens einem Jahr hinzu kommt.

Die in der Psychotherapie besprochenen Inhalte unterliegen der Schweigepflicht und werden im Befund NICHT erwähnt!

Elisabeth Vlasich

+43 676 617 39 17
office@vlasich.at

Praxis Burgenland

Birkengasse 6
7442 Lockenhaus
Rollstuhlgerecht

Praxis Wien

Windmühlgasse 15/1/7
1060 Wien
Rollstuhlgerecht